Fastenpredigt
Im Rahmen des Jubiläums "60 Jahre Kirche Stakt Margaretha ", wurde am Sonntag, dem 31. März 2019 zu einer Vesper mit Fastenpredigt eingeladen.
Viele Menschen aus der Pfarrei und der Umgebung kamen nach Herschbach ins Gotteshaus, um gemeinsam zu beten und zu singen.
Zum Thema: "Ist es vernünftig zu glauben" predigte Professor Pater Dr. Markus Schulze SAC und begeisterte die Gottesdienstbesucher.
Kurzfassung der Predigt
Der Glaube ist nach Pater Schulze die Seele der Kirche. Ob in der Verkündigung des Evangeliums oder in der Feier der Sakramente, immer ist die gläubige Annahme vorausgesetzt, dass uns darin Gott selber anspricht und uns an seinem Leben teilhaben lässt. Vom Innern der Kirche her gesehen ist der Glaube das Selbstverständliche.
Betrachtet man den Glauben jedoch von außen, erscheint er alles andere als selbstverständlich. Mehr noch: Vielen kommt er nicht nur seltsam, sondern gar unvernünftig vor. Denn Vernunft will Gründe! Wo aber sind die Gründe des Glaubens? Nietzsche hat die Überzeugung ausgesprochen, dass man die „Angewöhnung geistiger Grundsätze ohneGründe“ Glauben nennt. Wenn Glaube aber gänzlich ohne Gründe wäre, dann wäre er vollständig willkürlich – und damit unvernünftig. Dann hätte die Aussage „Das Spaghetti-Monster steht am Anfang aller Dinge“ gleichviel Sinn und Wert wie der Satz „Der Ursprung des Lebens ist der Gott der dreifaltigen Liebe.“
Wie versteht man christlichen Glauben?
So aber versteht sich christlicher Glaube nicht. Er ist vielmehr überzeugt davon, dass sich für ihn durchaus Gründe anführen lassen – allerdings solche, die die Freiheit nicht aufheben; es geht nicht um zwingende Argumente (wie in den Sätzen „Zwei und zwei sind vier“ oder „Das Ganze ist größer als sein Teil“), sondern um Überlegungen, die die Freiheit des Angesprochenen voraussetzen, sie eben gerade nicht zwingen, aber an-sprechen und überzeugen wollen.
Welches sind diese Gründe? Selbstverständlich können es nicht Gründe sein, welche direkt aus dem Glauben kommen (also „Das steht in der Hl. Schrift“ oder „Das hat der Papst gesagt“) – denn dann könnten sie dem, der den Glauben noch nicht bewusst in sich hat, überhaupt nichts sagen. Nein – es müssen Argumente sein, die jeder vernünftige Mensch nachvollziehen kann, die aber auf die Glaubwürdigkeit des Glaubens hinweisen, ja mehr noch: auf diese zuführen.
Erste Überlegung: Ich muss mich auf das Zeugnis und die Glaubwürdigkeit des Anderen verlassen.
Eine erste Überlegung zugunsten des christlichen Glaubens geht davon aus, dass unser ganzes Menschenleben von Glauben durchwirkt ist. Ob ich in Amsterdam als Ortsunkundiger nach dem Weg zum Rijksmuseum frage, ob ich mich einem Meister als Lehrling anvertraue, ob ich mich von einem Arzt behandeln lasse – immer ist Glauben als Einstellung erfordert. Ich kann ja nicht selber wissen, wie der Weg in Amsterdam verläuft, wie eine Lehre zum Ziel führt, wie eine Operation gelingt – ich muss mich auf das Zeugnis und die Glaubwürdigkeit des Anderen verlassen.
Und das erst recht, so Pater Schulze, im Raum der Liebe: ob mich ein anderer Mensch wirklich liebt, kann ich nicht durch einen prüfenden Blick in sein Herz feststellen, ich muss es mir vom andern sagen lassen. Daran sehen wir: Glauben ist immer eine Begegnung zweier Freiheiten, anders ist er nicht möglich. Wenn das nun im gesamten Dasein des Menschen so ist, wie sollte es ausgerechnet im Verhältnis zu Gott, in Glauben und Religion anders sein? Gott ist unendliche Freiheit, ich als Mensch bin endliche Freiheit. Wo Gott und ich miteinander zu tun haben, begegnen sich zwei Freiheiten.
Zweite Überlegung: Der Glaube an Gott, der, - was immer geschieht – zu mir steht.
Ein zweiter Grund, der für den Glauben spricht, ist die Einsicht, dass alle Felder, wo Glauben zum Zug kommt (Frage in Amsterdam, Lehre, medizinische Behandlung, Liebe), endlich und begrenzt und brüchig sind. Meistens geben einem Menschen, die man nach einem Weg anspricht, die richtige Auskunft. Aber es kann doch auch ein Betrüger, ein böswilliger Kerl vor mir stehen. Dann kann mein Glauben in die Irre gehen.
Darum ist ein Glauben nötig, der alles durchdringt, der durch das ganze Leben geht und es trägt – und darum auch Brüche in einzelnen Lebensbezügen auffangen kann. Das ist der Glaube an Gott, der mich ganz kennt und das Leben ganz kennt – und der, was immer geschieht, unbedingt zu mir steht. Das spielt vor allem dort eine entscheidende Rolle, wo der Mensch radikal allein steht und einsam ist – wie etwa Dietrich Bonhoeffer vor seinem ungerechten Richter: Der Ungerechte hat die Macht; derjenige, der mir gut ist und helfen möchte, ist ohnmächtig, oft abwesend: ich bin ganz allein. Da ist die Abstützung auf Gott unerlässlich, sonst bricht die Seele auseinander.
Dritte Überlegung: Der Glaube ist die Begegnung der göttlichen und menschlichen Freiheit.
Ein drittes Argument, das auf den Sinn und die Vernünftigkeit des Glaubens verweist, ist eine Einsicht von Pater Schulze, die er persönlich im Lauf seiner Studien gewonnen hat, nämlich, dass ihn atheistische Welterklärungen je länger desto weniger überzeugen. Ihnen haften einige Widersprüche an, die schwer erträglich sind. So gibt es in unserer liberalen Kultur den Grundsatz von der Unbedingtheit menschlicher Freiheit; andererseits erklären in derselben Kultur Wissenschaftler, der Mensch sei gar nicht frei, er sei durch die Gehirnprozesse in ihm vollständig festgelegt? Was gilt nun: Freiheit – oder Unfreiheit? Der Glaube kann hier wirklich Klärung verschaffen: Wenn Gott der souveräne Schöpfer der Welt ist, der die Welt hervorbringt, obwohl er nicht auf sie angewiesen ist und sich immer von ihr unterscheidet, und andrerseits der Mensch nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist, dann behält der Mensch dem gegenüber, was sich faktisch feststellen lässt, eine Freiheit im Bewusstsein und im Willen – sodass dann eben Glauben die Begegnung der göttlichen und menschlichen Freiheit ist.
Kirche ist ein erfülltes Zeichen für Gottes Gegenwart und Wirken.
Kirche ist beseelt vom Glauben. Und so ist sie, wie Pater Schulze sagt, ein Zeichen, das aufgerichtet ist über den Nationen. Sie muss nicht perfekt sein. Sie muss nicht das Reich Gottes vollendet in sich haben; sie muss ein erfülltes Zeichen sein für Gottes Gegenwart und Wirken – und das ist sie, wenn sie glaubt und das tut, was des Glaubens ist – eben unter anderem auch Gründe anführt für den Glauben an Gott, den wir Christus verdanken – und der ein Geschenk ist für Leben und Sterben.
Text: Pater Markus Schulze SAC